Die Klangwelle im Park – das neue Haus der Musik in Budapest von Sou Fujimoto
Sollte man in einem Park neue Museen bauen? Ist es zeitgemäß, wenn im 200 Jahre alten Budapester Stadtpark, dessen Sanierung zweifelsfrei mehr als nötig war, Neubauten statt einer Parkerweiterung entstehen?
Letztendlich ging es beim sogenannten Liget-Projekt genau um diese Frage, als vor zehn Jahren entschieden wurde, dass im Budapester Stadtwäldchen, ungarisch kurz Liget genannt, mehrere Museumsneubauten errichtet werden sollten. Befürworter des neuen Museumsquartiers wiesen darauf hin, dass alle Neubauten auf bereits versiegelten Flächen entstehen würden, Gegner präsentierten alternative Standorte und hoben die Notwendigkeit größerer Erholungsflächen für die Budapester hervor. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Wahr ist auch, dass die schleichende Bebauung von Budapests ältestem Park schon 1866 begann, als der Zoo dem Park schlagartig 15 Prozent seiner Fläche nahm.
Seit Januar lässt sich am ersten fertiggestellten Neubau überprüfen, ob es vielleicht einen Zwischenweg gibt, einen Kompromiss von Natur und Architektur.
Dem Japaner Sou Fujimoto, der den Architekturwettbewerb 2014 gewann, ist mit dem Haus der Musik tatsächlich ein Meisterwerk gelungen. Gebaut für die Kunst der Klänge wird das Haus von einer vieldeutigen Form umhüllt, der es gelingt, Natur und Architektur miteinander zu versöhnen.
Der Riesenschirmpilz
Egal, aus welcher Richtung man sich dem Haus nähert, das wellige Dach schwebt ständig zwischen den alten grauen Baumstämmen im Park. In den Wettbewerbsplänen beschrieb Fujimoto sein Konzept einer Klangwelle, die in den Baumkronen hängt. Entstanden ist eine organische Form, deren Wölbung zur Mitte hin einen unverwechselbaren Blick auf die pilzartige, löchrige Dachhaut ermöglicht. Zudem sollten möglichst viele Bäume erhalten werden, um ihnen Raum zu geben und sie durchs Dach wachsen zu lassen. Noch während der Bauarbeiten schien es, als wollten alle Beteiligten das Haus um die Bäume herum bauen. Nun, nachdem die Bauzäune gefallen sind, wirken die etwa 100 Löcher und Öffnungen am Hut des Schirmpilzes so, als hätten Tiere an der Krempe geknabbert.
Spätestens, wenn man unter das spektakulär weit auskragende Klangwellendach tritt, ist man vom goldenen Blattwerk an der Dachunterseite überwältigt. Von nun an schwebt über dem Besucher ein identitätsstiftendes und mehrdeutiges Motiv. Wer das Bild des Riesenschirmpilzes weiterdenken will, mag in der gelblich glänzenden, löchrigen Struktur die röhrenartige Struktur eines Pilzhutes wiedererkennen. Aber auch eine musikalische Deutung ist möglich: so, wie jedes gelungene Musikstück Ruhepausen benötigt, hat auch die Klangwelle von Fujimoto perfekt gesetzte Öffnungen.
Zeitreise durch Musik und Architektur in Budapest
Einen anderen, lokalen musikalischen Bezug verriet der Architekt selbst: beim Besuch der Budapester Musikakademie war er dermaßen vom goldverzierten Lorbeerblattwerk an der Decke des Großen Konzertsaals beeindruckt, dass er es in neuer Form, aber mit wohl noch stärkerer Wirkung auch für sein Musikhaus verwendete. Musikliebhaber können von nun an selbst entscheiden, welche Golddecke den schöneren Architekturrahmen bietet.
Budapests Opernhaus von 1884, seine Musikakademie von 1907 und das nun eingeweihte Haus der Musik von Sou Fujimoto befinden sich alle im Umfeld der Andrássy Straße und bieten so den perfekten Rahmen für eine Tour durch Musik, Natur und Architektur.
Text: Arne Hübner, GA Budapest
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