Ist „Stadterneuerung“ ein Euphemismus?
SHoP Architects aus New York und das australische Büro BVN Architecture haben vor kurzem zusammen den internationalen Wettbewerb für den weltweiten Hauptsitz des Technologie-Giganten Atlassian gewonnen, der auf einem neu aufgeteilten Gelände am Hauptbahnhof von Sydney entstehen wird. Das Design ist kühn, poetisch und ökologisch sehr ambitioniert, aber das Projekt macht auch auf vielen anderen Ebenen von sich reden.
Gleisanlagen umbauen
Eine ganze Generation von Bürgermeistern hat schon davon geträumt, das Bahnhofsgelände neu zu ordnen. Diese „bedeutende physische Barriere“ trennt die Vororte Chippendale und Surry Hills. Die städtischen, kulturellen und finanziellen Vorteile liegen auf der Hand, und da sich staatliche und lokale Behörden einig sind, geht es schnell. Der Sitz von Atlassian ist nun das erste genehmigte Projekt auf dem 24 Hektar großen „Central Precinct,“ der zu Sydneys eigenem Silicon Valley werden soll.
Gestaltungswettbewerbe und die Stadt Sydney
Sydney ist die einzige Stadt der Welt, in der für Bauprojekte, die Grenzwerte eines oder gar mehrerer der folgenden Kriterien – Kapitalwert, Grundstücksfläche oder Höhe – überschreiten, ein wettbewerblicher Gestaltungsprozess durchgeführt werden muss, und zwar sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Vorhaben. Auf unserem globalen Markt müssen Städte hart arbeiten, um Entwicklungen voranzubringen. Aber Design kostet Geld – das weiß jeder –, der Prozess dauert länger, die Teilnehmer werden bezahlt (man stelle sich das vor!), die Wettbewerber und die Jury werden aus den Nominierungen der Stadt und des Entwicklers zusammengestellt, und am Ende muss der Bauherr mit dem Gewinnerteam zusammenarbeiten. Das Bauunternehmen zahlt, also kostet es die Stadt nichts. Verrückt, nicht wahr? Und was hat der Bauunternehmer davon? Nun, er bekommt „bis zu“ 10% Bonus auf die Bodenfläche. So einfach, so brillant.
Und das Gebäude selbst? Es sieht großartig aus. Eine innere Holzkonstruktion, umgeben von einer Hülle aus Stahl und Strom erzeugendem Glas. Jeder Cluster besteht aus vierstöckigen „Habitats“ mit einem natürlich belüfteten „Park“ und bringt so ganz überschwänglich die Ambitionen des ganzen Reviers im Bereich technischer Innovation und Nachhaltigkeit zum Ausdruck.
Es gibt einen Grund, warum Städte um diese Unternehmen konkurrieren. Es gibt einen Welleneffekt. Stadterneuerung ist jedoch ein Euphemismus, hinter dem sich Mechanismen zur Gentrifizierung verbergen. Sie verursacht Risse. Wir wollen lebenswerte Städte, wir wollen Qualität, Annehmlichkeiten und gute öffentliche Verkehrsmittel. Wir wollen Erschwinglichkeit, aber welche Schutzmaßnahmen gibt es, um die Schwächsten in einer Stadt zu schützen, die die Demographie als die drittteuerste Stadt der Welt benennt?
Ein Teil dessen, was Städte bieten, ist die Freude an unordentlicher sozialer, kultureller und demografischer Vielfalt, und die Ironie ist, dass wir durch Fortschritt oft genau das untergraben, was wir lieben.
Text: Eoghan Lewis, Architekt und Gründer von Eoghan Lewis Architects and Sydney Architecture Walks
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