Das neueste Stück moderne Architektur? – Die Frankfurter Altstadt
Überragt von der Skyline der Hochhäuser ist seit Ende September 2018 in Frankfurt ein 7000 m² großes Stück Altstadt als ‚moderne Architektur‘ zu bewundern. Kann man das so schreiben? Das verbale Ringen um die richtigen Worte, die philosophische Diskussionen über Sinn und Zweck sind vielfältig.
New town hall extension
Das Ende der 60ger Jahre pragmatisch geplante ‚Technische Rathaus‘ fand nie die Zustimmung der Bevölkerung. Dies war Anstoß, das renovierungsbedürftige Gebäude abzureißen und dafür ein Stück ‚Altstadt‘ wieder entstehen zu lassen. Es besteht aus 35 Gebäuden; 15 entsprechen in hohem Maße Häusern, die an selber Stelle bis zur Kriegszerstörung standen, umgangssprachlich Rekonstruktionen genannt. Die Gestalt der zwanzig weiteren Gebäude wurde 2011 durch einen Wettbewerb ermittelt, der eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit Ort und Geschichte forderte. Das Spektrum der Resultate geht von einem puristischen Entwurf des Architekturbüros Morger Dettli bis hin zu Projekten von Jordi + Keller, die einen im Unklaren lassen, ob man eine neu erdachte oder eine kopierte Fassade sieht.
Markante Rekonstruktionen sind zwei Höfe, in denen Händler während der Messen im 18 Jh. Quartier bezogen, das ‚Rote Haus‘ ein Fachwerkhaus aus dem 14 Jh., dessen Erdgeschoss nur aus Holzstützen besteht und die ‚Goldene Waage‘, ein reich dekoriertes Fachwerkhaus aus der Renaissancezeit, von einem wohlhabenden und zugleich streitfreudigen Glaubensflüchtling aus Tournai erbaut, der mit den Nachbarn über Höhe und Auskragung des Hauses stritt.
Die rekonstruierten Häuser haben eine echte Holzkonstruktion, sind innen gedämmt, besitzen eine Fußbodenheizung und entsprechen der ENEV, in gewisser Weise wie alte Fachwerkhäuser, die zeitgemäß renoviert wurden.
Als Schlussstück zwischen der Altstadt und der Kunsthalle Schirn (1985) fungiert das ‚Stadthaus‘ (Meurer Architekten mit CBA/Lux). Zugleich überdeckt es die Grundmauern einer Kaiserpfalz und eines römischen Bades mit dem in Stahlkonstruktion schwebend ausgeführten Hauptsaal. Er ist mit Messingblech in Rautenform verkleidet, einem Muster, das an das traditionellen Apfelweinglas erinnert und zum neuen Wahrzeichen der Frankfurter Altstadt geworden ist.
The new district inspires
Jenseits der prinzipiellen Diskussion, begeistern die irrationalen Elemente, wie manche Fassade oder die kleinen Gassen und Durchlässe, die das neue Viertel durchziehen. Jetzt Tummelplatz vieler Touristen, wären sie auch idealer Spielplatz für Kinder, wenn es sie hier gäbe. Zurecht ist die Kritik von Peter Cachola Schmal, des Direktor des DAM, dass man statt der rund 80 subventionierten Eigentumswohnungen besser Mietwohnungen für eine gemischte Wohnbevölkerung gebaut hätte.
Kindern kann man so nur bei den Umzügen zujubeln, bei denen sie auf dem neu erstandenen Krönungsweg die Kaiserkrönungen in Frankfurt nachspielen.
Texte par Paul-Martin Lied, Guiding Architect Frankfurt
Ich finde es gut, dass Guiding-architects auch solche Entwicklungen aufnimmt und bespricht. Es kann Anlass sein, über das Wie und Was von Rekonstruktion und Denkmalschutz zu diskutieren (auch mit unseren Gästen/Clients).
Persönlich finde ich als Architektin das Frankfurter Beispiel schrecklich – rückwärtsgewandter Fake ohne irgendeine sichtbare Spur von Innovation. Der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden ist aus mehreren Gründen vertret- und nachvollziehbar, beim Neubau des Berliner Stadtschlosses erschließt sich für mich die Sinnhaftigkeit nicht, auch wenn es einst das dominierende Bauwerk der historischen Mitte Berlins gewesen ist.